Kandiskind

Niemand muss ein Opfer sein


 Hallo meine Lieben,
heute habe ich etwas, für meinen Blog, völlig neues für euch. Normalerweise teste oder rezensiere ich nämlich keine Bücher, da mir zum lesen einfach viel zu oft die Zeit und Konzentration fehlt. Als ich allerdings den Aufruf in einer Facebookgruppe sah, dass Tester für das Buch "Kandiskind" gesucht werden, musste ich einfach eine Ausnahme machen. Der Grund: In dem Buch geht um Anastasia (das ist ein Pseudonym), die über ihre Vergewaltigung spricht und erzählt wie sie aus Trauma wieder rausgefunden hat.


 Ein Thema, das mich sehr berührt und auch wenn das Buch kein Ratgeber ist, so habe ich mir erhofft den ein oder anderen Tipp zu bekommen, um kein Opfer mehr zu sein.

Über das Buch

Ein Opfer offenbart sich: Vergewaltigt - und nun? Misshandelt, gedemütigt und ohnmächtig vor Wut: Eine Vergewaltigung zählt zu den schlimmsten Albträumen einer Frau.

 Anastasia hat diesen Albtraum mehr als nur einmal erleben müssen und beschreibt in dem Buch, wie sie damit umgegangen ist. Um nicht erkannt zu werden, benutzt sie das Pseudonym Anastasia M., denn die Menschen in ihrem jetzigem Umfeld kennen ihre Geschichte nicht. Trotzdem möchte sie Frauen in ähnlicher Situation helfen, denn sie ist der Meinung, dass der Mensch, der uns diese Dinge angetan hat, nicht Sieger über unser Leben bleiben darf. In ihrem Buch beschreibt sie, was sie alles versucht hat. Nicht alles hat funktioniert aber am Ende stellt sie fest, dass es vorbei ist und sie das Trauma bewältigt hat. Neben ihrer eigenen Geschichte, geht sie auch auf rechtliche Dinge und Dinge zu dem Thema ein, die nicht unbedingt bekannt sind. Außerdem beschreibt sie das Thema Kindesmissbrauch, den sie ebenfalls aus eigener Erfahrung kennt. Als Schlüsselweg entpuppt sich die Suche nach innerer Zufriedenheit und einem positiven Selbstbild. Sie stellt sich eine "Lebensliste" auf, trennt sich von falschen Freunden, Kompromissen, Negativem und findet ihren Weg, indem sie aufs gute Gefühl setzt und ihr alles Schlechte ihr nichts mehr anhaben können soll.

 Das Einschneidende der Vergangenheit: fortan ein stumpfes Schwert.

 Die Umsetzung war auch für sie nicht leicht aber jedes kleine erreichte Ziel ist ein Schritt nach vorne. So lässt uns das Vergewaltigungsopfer an ihrer Bewältigungs(tor)tour teilhaben und zeigt uns wie wichtig solche Auseinandersetzungen mit den seelischen Narben sind. Dies zeigt auch der Zeitpunkt der Buchveröffentlichung, denn dieser ist 30 Jahre nach der Tat.


Ich möchte euch einige Passagen des Buches zeigen, die ich als wichtig empfinde. Im Vorwort erklärt Anastasia, dass sie mit dem Buch niemanden einen Rat geben kann, wohl aber Mithilfe und das Gefühl, nicht alleine zu sein geben möchte. Ich empfand das Buch trotzdem an vielen Stellen als hilfreich.


Auch beschreibt sie, dass sie sich nie ihren Eltern anvertraut hat. Sie schwieg, weil sie das Gefühl hatte großen Mist gemacht zu haben, weil sie vergewaltigt wurde. So saß sie schon mit 10 Jahren auf der Treppe im Haus ihrer Eltern und überlegt was passieren würde, wenn sie einfach springen würde.

In diesem Teil des Buches beschreibt sie, wann wir als Eltern aufmerksam werden sollten und welche Symptome bei uns die Alarmglocken klingeln lassen sollen. Meine Eltern haben es nie bemerkt oder einfach nicht bemerken wollen. Ich glaube, manche Menschen reden sich einfach gerne alles zurecht, denn wenn diese Dinge Realität würden, würde es ja auch ihr bequemes Leben durcheinander werfen und vielleicht müssten sie sich eingestehen, dass sie doch nicht so perfekt waren, wie sie immer dachten.

 Mir persönlich gefiel auch der Abschnitt zum Thema Hamster sehr gut. Mittlerweile habe ich mein Leben zwar einigermaßen im Griff (zumindest solange ich meine Medikamente nehme) aber ich erinnere mich an Zeiten, in denen es mir ergangen ist, wie Anastasia es hier beschreibt. So sahen schon 1,5 Jahre in die Zukunft gesehen unüberbrückbar aus und sie versuchte diese Zeit zu überbrücken, indem sie sich zum Ziel setzte, den Hamster zu überleben. Dazu kommt, dass man mit einem Tier ein anderes Lebewesen um sich hat, dass auf einen angewiesen ist und einen braucht. Da kann man nicht so einfach gehen. Ich denke, dass mir das damals vielleicht auch geholfen hätte, da die vorraussichtliche Lebenserwartung eines Hamsters wenigstens noch überschaubar ist und man nicht zu weit in die Zukunft blicken muss mit dem Gedanken, es nicht zu schaffen.


Die Suche nach dem "Stöckchen". Ich finde dieses Experiment grausam aber auf ein Leben als Opfer gut übertragbar. Deswegen hat Anastasia dies wohl auch mit ins Buch aufgenommen. Sie hat ihr Stöckchen gefunden und ich auch.


Dazu beschreibt sie, wie sie ihr Leben neu sortierte und auch falsche Freunde aussortiert hat. Als Beispiel, wie man Freunde und Bekannte voneinander unterscheidet, nimmt sie die Frage nach dem Befinden nach einem großen Streit mit ihrem Partner. Überlegt doch mal, welchen eurer Freunde und Bekannten ihr welche Antwort geben würdet.


Außerdem entwickelte sie Strategien, um ihr Leben schöner und erträglicher gestalten könnte. So merkte Anastasia, dass es ihr am Wochenende immer viel besser ging, sie aber Richtung Wochenmitte ein Tief bekam. Kurzerhand beschloss sie also den Mittwoch zu ihrem zweiten Samstag zu erklären, um einfach mehr für sich tun zu können und mehr schöne Dinge erleben konnte. Außerdem war es so schon am Montag, nur noch zwei Tage bis zum Wochenende.


 In ihrem Buch hat auch eine Freundin von Anastasia etwas Platz bekommen, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Auch sie wurde Opfer von Gewalt und sexueller Gewalt und beschreibt ihren Umgang damit.


Anastasia erklärt in ihrem Buch auch einige rechtliche Dinge und gibt Tipps, wie man sich am besten verhalten sollte, wenn eine Tat ganz frisch sein sollte. Auch zeigt sie immer wieder auf, dass es nichts gibt, wofür sich das Opfer schämen sollte. Generell gibt es kein richtiges oder falsches Verhalten. Nichts, wofür man sich schämen müsste. Außerdem trägt man nicht die Schuld am Geschehenen. Ganz alleine der Täter trägt die Schuld und dieser Schämt sich nicht.


 Auch Männer können etwas dafür tun, dass sie nicht zu Tätern werden. So sollten sie auf sich und ihre Vorlieben achten, bevor sie etwas tun, was das Leben anderer so zerstört.


Am Ende geht Anastasia nochmal darauf ein, dass sie es überlebt und das Trauma besiegen konnte und heute ist sie froh, dass sie damals nicht gesprungen ist.


Das Buch hat mich sehr berührt, auch wenn ich wirklich lange gebraucht habe, um es fertig zu lesen. Vieles aus dem Buch kann man sich in seinen Alltag mitnehmen und so Stück für Stück versuchen sein Trauma zu besiegen. Wichtig ist, dass man weiß, dass man nicht alleine mit dem Geschehenen ist. Die Dunkelziffer ist noch viel zu hoch und so sind Anastasias Peiniger nicht die Einzigen, die leider unbehelligt davon gekommen sind.
Nach dem Buch bin ich mir sicher, dass ich keinen mehr damit durchkommen lassen würde und so möchte ich es euch allen empfehlen, egal ob ihr Opfer geworden seid oder nicht.

Das Buch ist im Interna Verlag erschienen und kostet 12€.


  Mein Dank für diesen Test geht an Jörg, der mir das Buch zukommen ließ.

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